Gletscherblicke im Windachtal 19.08. – 23.08.21 - Ausbildungskurs

2 Gruppen, ein Ziel und viele Fragen ???
Donnerstag, 19.08.2021: Fiegls Hütte (1.956 m)
In Vorbereitung der Alpentour war ich schon ein paar Tage vorher angereist, um die gewaltigen Berge
spüren zu können, mich zu akklimatisierten und mich auf die Tour vorzubereiten und „anzutrainieren“.
Und ich hatte viele Fragen: Wird die Wetterprognose meiner Wetter - App stimmen? Welche Menschen
und auf welche Charaktere werde ich treffen? Was habe ich dieses Mal wieder vergessen?
Als ich am Treffpunkt ankam, waren Stefanie, Reiner und Carsten schon da und debattierten fleißig
über die kommenden Tage, die Routenplanung und die leidige Gepäckthematik: nicht mehr als 9 kg
waren laut Packliste der Wanderleiter Sven und Mario mitzunehmen. Endlich kamen dann auch die
Trainer und weitere Teilnehmer /-Innen der Gruppe mit den Autos angefahren. Bevor es losgehen
konnte, wurde das Gepäck gecheckt und der obligatorische C19-Kontrolllnachweis geprüft. Mario,
Tourenleiter beim GOC, hatte eine App auf seinem Smartphone, um die Impfpässe prüfen zu können.
Nun hatten auch die Ander*en Teilnehmer*Innen Ihre Sachen sortiert. Sven (Trainer C - Bergwandern),
begrüßte alle Teilnehmer. Dann rief der Berg; wir schritten voran und da waren sie wieder da, unsere
Fragen: Was bedeutet GOC? Wie wird uns die Höhe bekommen? Wann wird der Rest der Gruppe am
Ötztal - Bahnhof sein?
Unsere Wandergruppe hat sich im Windachtal, einem Verbindungstal zwischen den Ötztaler und
Stubaier Alpen aufgehalten. Die Berge sind typischerweise aus Kristallingesteinen – vor allem Gneisen
und Glimmerschiefern – aufgebaut und das ganze Relief ist in starkem Maße glazial überformt. Die
eiszeitlichen Gletscher, z. B. Stubaier Gletscher mit der Hochstubaihütte bei 3.175 m, fungieren also in
einer wunderbaren Weise als Landschaftsarchitekten dieses noch jungen Faltengebirges.
Unsere Vorfreude auf die kommenden 5 Tage war riesig. So wollten wir doch mit den erfahrenen
Wanderführern in alpine Hochgebirgsregionen aufbrechen, um die Orientierung im alpinen Gelände zu
erlernen und Notfallsituationen nachzuempfinden; ohne die zwischenmenschliche Hilfe und nicht zuletzt
echten Beistand außer Acht zu lassen.

Am Abend waren die Gruppenmitglieder, welche mit dem Zug angereist waren, zur Gruppe angekehrt.
Gemeinsam wurden wir von Mario, dem Hüttenwirt, seiner Frau Angelika und dem Hüttenteam köstlich
bewirtet. Unser Team: Annegret, Stefanie, Doudou, Reiner, Jochen, Jens, Nisar, Carsten und Tom.
Nach dem üppigen Abendessen arbeiteten wir gruppenweise die Tourenplanung aus; das Karten- und
Wetterstudium stand auf dem Plan. Dazu nutzten wir die klassische Alpenvereinskarte und unsere Apps.
Die Aufgabe bestand darin, dass jedes Team zu einer ausgewählten Thematik die Elemente für die
Tourenplanung ermittelt. Gemeinsam haben wir dann die Startzeit für den nächsten Tag festgelegt.
Freitag, 20.08.2021: Fiegls Hütte (1.956 m)
Nun möchte ich gern zu der Frage der sehr heterogen zusammengesetzten Gruppe kommen, welche
aus Mitgliedern der Vereine GOC München (im ff. GOC) und dem DAV Dresden (im ff. DAV DD) des
DAV-Dachverbandes (im ff. DAV) bestand.
Der GOC München ist eine Sektion der 356 Sektionen in Deutschland, welche auch Sektion Gay
Outdoor Club genannt wird. Dieser Verein ist ein deutscher lesbisch-schwuler Natursport-Verein und
eine Sektion im Deutschen Alpenverein mit Sitz in München. Von den 1.39 Mio. Mitgliedern des DAV
hat der GOC 1.868 Mitglieder und gehört damit zu den kleineren Sektionen des DAV. Der GOC
München hat eine Patenschaft für die Berliner Hütte übernommen.
Der DAV DD ist eine Sektion des DAV in Dresden. Sie wurde 1873 gegründet und ist damit einer der
älteren und mit 6.350 Mitgliedern eine der größeren Sektionen des DAV. Der Verein ist nach dem
Sächsischen Bergsteigerbund die zweitgrößte Sektion in Dresden sowie Ostdeutschlands vor der
Sektion Leipzig. Hütten der Sektion sind u.a. die Hochstubaihütte und die Dresdner Hütte.
Vor jeder Tour gehört ein Ausrüstungscheck unbedingt zu einer optimalen Tourendurchführung. Dazu
erläuterte Sven, wie man einen Rucksack einstellt. Er zeigte auch, wie man Wander- und
Trekkingstöcke für alpine Touren optimal einstellt. Nun war die Ausrüstung präpariert und wir starteten
bei „Kaiserwetter“ unsere Tour zum Wannenkarsee (2.668 m).

Doudou, unsere chinesische Teilnehmerin, testete das Element Wasser aus und nahm ein Bad im
eiskalten Gletschersee. Die anderen Bergwanderer, -Innen genossen die Pause, fingen die wärmenden
Strahlen der Mittagssonne ein oder sie schauten nach Doudou, welche schon bald wieder zum nahen
Ufer des Sees schwamm...
Nach dem Mittagsmahl zeigte uns Mario, wie man sich im weglosen Gelände fortbewegt. Natürlich
waren wir hochmotiviert und wir erprobten uns im alpinen Gelände.
Sven zeigte uns, wie man auf einem steilen Schneefeld zum Stehen kommt (in Liegestützposition). Erst
kostete es einige Überwindung, doch nach kurzem Zögern machte es großen Spaß. Trotz des Riesen
– Gaudi darf man niemals vergessen, dass diese Technik im Ernstfall überlebensnotwendig ist!
Der Rückweg erfolgte auf der gleichen Route. Unsere Tourenplanung war perfekt, wir trafen zur
vorausgeplanten Zeit in Fiegls Hütte ein und Mario und seine liebe Frau empfingen uns mit einem
Lächeln. Der Vorabend verging dann doch recht schnell bei der Verkostung eines Zirbenschnapses,
einer lokalen Spezialität. Nach dem 3-Gänge-Abendmenü planten wir noch den nächsten Tag und
studierten noch intensiver die Wetterkarte, da wir einen frühen Aufbruch planen und zeitig in die
hochalpine Region aufsteigen wollten.
Samstag, 21.08. 2021: Hochstubaihütte (3.175 m)
06:30 Uhr: Das Aufstehen fiel nicht schwer, wenn man am Abend nicht so viel Selbstgebrannten
verkostet hatte. In Marios Gasthaus duftete es wunderbar nach Kaffee und Tee; draußen lachte schon
die Sonne und verkündete einen wundervollen Wandertag.
Nach dem genüsslichen Frühstück, Mario hatte seine selbstgemachte Buttermilch aufgetischt; wurden
die Vortageskenntnisse aufgefrischt und die Rucksäcke wurden für die 1.220 m im Aufstieg angepasst.
Es sollte eine anspruchsvolle Tour auf einer Länge von 5 km werden. Wir verabschiedeten uns von
Mario, seiner lieben Frau Angelika und machten noch ein Gruppenfoto. Dann startete die ultimative
Bergtour vom Hüttenwirt Mario aus Fiegl´s Gasthaus zum Hüttenwirt Thomas der Hochstubaihütte –
DIE HIMMELSLEITER RUFT.
Bei der ersten Etappe dieser schwierigen Bergtour verläuft der Weg vom Windachtal (Fiegl`s Gasthaus
bei 1.956 m) im Zick-Zack-Aufstieg südexponiert zum Unteren Seekarsee (2.658 m). Am Notbiwak
(Rand des Oberen Seekars bei 2.874 m) haben wir auch „biwakiert“ und haben eine Vesper gegessen
und etwas getrunken. Dann sind wir über Blöcke und Schneefelder dem Karschluss entgegengestiegen.
Es ging weiter hinauf zur sogenannten Himmelsleiter. Diese aus Steinplatten geformten Treppen in
luftiger Höhe sind stellenweise mit Drahtseilen gesichert und führen auf eine Gratkante, von wo aus wir
unser Ziel, in wenigen Minuten entfernt, erblicken – HURRA, die Hochstubaihütte (3.175 m) ist in
Sichtweite. Auch Carsten, welcher diese Tour im Jahr 2020 abbrechen musste, erreicht die Gipfelhütte.
Als wenn der Hüttenwirt uns hat kommen hören, steht Tom auch schon in der Tür mit dem
selbstgebrannten Gipfelschnaps bereit. ENDLICH: Beine ausstrecken, Kraft tanken und „Flüssig - Gold“.
Nach dem Abendessen warteten wir auf den legendären Sonnenuntergang an der Hochstubaihütte –
FANTASTISCH! Ein wundervoller Tag geht zu Ende; jedoch bleiben wieder Fragen: Warum kann nicht
jeder Mensch jeden Tag ein Stück Hilfsbereitschaft zeigen (wie wir bei Carsten)? Wann werde ich wieder
mit solch interessanten Begleiter*Innen die Himmelsleiter erklimmen können? Wann gibt es den
nächsten Hüttenschnaps?
Sonntag, 22.08.2021: Kleble Alm (1.983 m)
Nach einem wiedermal exzellenten Frühstück stiegen wir in die Wanderschuhe und begaben uns auf
den Weg zum Abstieg und passierten nach ein paar Metern die Mulden der Durrnkarlen. An den nun
folgenden Seen lies ich meinen Blick noch einmal in Richtung Hoher Nebelkogel (3.213 m) schweifen.
Den Gipfel hatte der größte Teil der Gruppe am Vortag nach dem Aufstieg zur Hochstubaihütte
bestiegen. Leider lag er an diesem Vormittag wieder im Nebel; sein Name war „Programm“.
Es folgten blockreiche Abschnitte, wo wir die Ausbildungsinhalte, wie das Gehen in weglosem Gelände
und den korrekten Einsatz der Wanderstöcke trainieren konnten. Wir wanderten in Richtung
Laubkarscharte und hatten einen (eher nebulösen) Blick zum Laubkarsee. Der dichte Nebel lichtete sich

langsam. Ein Teil der Gruppe war zurückgefallen und die Tourenführer ließen den Rest der Gruppe
wieder aufschließen. Als persönliche Beschäftigungstherapie hatte Nisar, unser Afghane im Team, ein
Schaf aus einer großen Herde gefangen. Das sorgte für Erheiterung bei allen wartenden Wanderern.
Als Gruppe ließen wir die Abzweige zum Söldenkogel (2.902 m) und in das Windachtal hinter uns liegen.
Westwärts laufend erreichten wir die Ausläufer des Laubkars und wir bewegten uns auf der Kleblealm
in Richtung der Hütte.
Auf der Kleblealm haben Sven und Mario weitere Ausbildungsinhalte der Tour vermittelt, wie das
Verhalten in Notfallsituationen, u.a. die Einrichtung eines Notbiwaks, Rettungszeichen für den
Hubschrauberanflug und mehrere Varianten des Transports von Verletzten im alpinen Raum.
Montag, 22.08.2021: Sölden (1.356 m)
Am Morgen des letzten Tages hatte Nisar einen Kuchen von unserer Wirtin backen lassen – unser
Touren - Guide Sven hatte Geburtstag. Nisar war so nett und hatte noch weitere Leckereien und
Köstlichkeiten „hervorgezaubert“. Das war ein Tagesauftakt!
Nach dem Geburtstagsfrühstück waren alle gestärkt, um den Heimweg zum Parkplatz anzutreten. Ein
letzter Abschiedsgruß an die Wirtin der Hütte – Servus – und schon ging es los in Richtung Ötztal.
Noch einmal haben Mario und Sven Ihre Erfahrung als Trainer bewiesen und haben einen Teil Ihrer
Führungsverantwortung abgegeben, nach einem Touren - „Assistenten“ gesucht und Jochen hatte dann
die Aufgabe, die Gruppe vom Wirtshaus der Kleblealm in Richtung Sölden zu „navigieren“.
Nach ein paar Schlussworten der Guides Sven und Mario haben wir eine Schweigeminute für Carstens
Papa eingelegt. Der Vater war in der Nacht vom Sonntag zum Montag nach langer Krankheit verstorben.
Das war eine starke Leistung von Carsten. Er hat die Tour angetreten und konnte auch den Gipfelerfolg
auf der Hochstubaihütte mitfeiern.
Mir persönlich hat die Tour sehr gut gefallen, da sie sehr abwechslungsreich war: Schneefelder, Eis, die
Besteigung eines Gipfel, ein Bad in einem Gletschersee, Notbiwak, Bergung von verletzten Personen,
die urgemütlichen Hütten und Ihre Hüttenwirte/-Innen…
Dennoch bleiben für mich wieder Fragen offen: Welche Utensilien kann ich bei der nächsten Bergtour
zu Hause lassen? Warum hat Reiner die Gruppe vorzeitig verlassen? Wann werden wir uns wiedersehen?

 

Eure Ulrike